Der Bericht von Annette Mahle
Bern - Bodensee - Bern / Crew-Bericht
Im Jahr 2002 waren wir mit Martin und Klaus bei BBB dabei. Die
beiden fuhren den Marathon als Staffel und sinnierten den Rest
des Jahres gelegentlich, ob man 600 km auch alleine packen könnte.
Trainiert wurde vorsichtshalber schon einmal.
Anfang 2003 fiel bei beiden die Entscheidung, den Marathon
jeweils solo zu fahren und nur "notfalls" doch als
Staffel zu starten.
Ende Mai 2003 fiel nach einer Trainingseinheit an den Bodensee (gesamt
knapp 300 km) die Entscheidung, dass jeder solo fährt.
Leider brach sich Klaus Anfang Juni beim Fussballspielen die
grosse Zehe, so dass er den Start abschreiben musste. Das ist äusserst
ärgerlich nach 7.000 Radkilometern, das kann jeder
Ausdauersportler nachvollziehen, der schon einmal einen grossen
Wettkampf vor sich und monatelange Schinderei hinter sich hatte!
Klaus versprach, als Crew-Miglied mitzukommen und so starteten
wir zu viert nach Bern: Martin als Solofahrer und Bärbel, Klaus
und ich als Begleitcrew. Bärbel ist Mutter von 4 Kindern, hat
Nerven wie Drahtseile und ist schwer aus der Ruhe zu bringen.
Unsre Sprinter erwies sich als gross genug für unser ganzes Gepäck:
30 l Wasser, Klamotten für uns 4, viele Radklamotten für
unseren Athleten, 20 Bananen, 1 kg Hefekranz, eine Kiste Cola,
Ersatz-Laufradsatz, Red Bull, Kühlbox, diverse Süssigkeiten,
Werkzeug, Isomatte und Schlafsack falls der Athlet mal unterwegs
ein Nickerchen machen möchte, Campingkocher etc...
Nachdem wir letztes Jahr erst morgens nach Bern gefahren sind und
nachts und auf der Heimfahrt nach Esslingen alle mit dem Schlaf kämpften,
haben wir uns dieses Jahr eine Übernachtung gegönnt. Das würde
ich auch jedem empfehlen.
Der Wetterbericht hatte uns vorher schon Sorgen gemacht. Aber
dass es dermassen giessen würde am Start, damit hatte keiner
gerechnet. Es war ein Wetter, bei dem man normalerweise nicht mal
einen Hund vor die Tür jagt.
Wir haben Martin trotzdem vor die Autotür gejagt und er fuhr los.
Zu den ersten 200 km gibt es gar nicht viel zu sagen.
Wir verpflegten Martin mit Käsebrötchen, Bananen, Schokoriegeln
und diversen Trinkflaschen (Apfelschorle, Iso und Magnesiumgetränk
im Wechsel).
Martin fuhr wie entfesselt und hatte nach 200 km einen 30-er-Schnitt.
Über unsere Mahnungen, er solle doch langsam machen, lachte er
nur. Er hatte richtig gute Laune und das trotz dem Regenwetter.
Gute Laune trotz Mistwetter |
Klaus und Baerbel |
Nach 300 km genehmigten wir ihm eine warme Mahlzeit (einen
Teller Nudeln) und frische (vor allem trockene) Klamotten. Die
abgelegten Sachen nahmen wir widerwillig ins Auto und kamen zu
dem Schluss, dass die Regenjacke wie ein Iltis riecht. Zumindest
stellten wir uns vor, dass ein Iltis so riechen muss.
Die Handschuhe wurden über die Heizung gelegt für den Fall,
dass er sie wieder braucht.
Martin fuhr dann mit Urs weiter, einem sehr netten Radfahrer aus
der Schweiz. Wir waren recht froh, dass er die Nacht nicht
alleine unterwegs war.
Endlich was trockenes zum anziehen |
Es geht mal wieder bergauf |
Wir hatten nachts genug Abwechslung, da uns die ganze Elite überholte (beeindruckend!) und wir ja auch mit Navigieren zu tun hatten. Die Strecke war aber sehr gut ausgeschildert.
An einem weiteren Kontrollpunkt kochten wir am Kontrollpunkt
erst einmal Kaffe für uns.
Als wir gerade die Kaffeetassen eingeschenkt hatten, rief Martin
an. Panne. Also Tassen, Kocher und Bärbel aus dem Auto raus und
zurück zu Martin. Wechsel des Laufrads und zurück zum
Kontrollpunkt.
Bärbel musste sich in der Zwischenzeit vor einer Gendarmerie
verteidigen was sie denn da mitten in der Nacht mit dem
Campingkocher vorhat. Verhaftet wurde sie zum Glück nicht.
Martin bekam seinen nächsten Teller Nudeln und Kaffee und wir
scheiterten beim Versuch, die Kartusche zu wechseln. Das Gas strömte
aus und somit war weiterer Kaffee für uns gestrichen.
Zum weiteren Verlauf:
Martin ging es immer noch prima. Wir konnten es kaum glauben. Das
Wetter war dafür immer noch äusserst mies. Immer wenn man
dachte, die Fahrer trocknen mal, kam der nächste Guss.
Sehr demoralisierend, aber Martin behielt seine gute Laune bei
und fragte sogar gelegentlich, wie es uns geht. Wir hatten uns
ehrlich gesagt auf schlimmeres eingestellt, was seine Laune
angeht.
Die Radstrecke war äusserst selektiv. Es ging rauf und runter. Die Steigungen waren entweder heftig oder lang oder beides und um die Abfahrten in strömendem Regen bei 50 km/h habe ich die Radfahrer auch nicht beneidet, das sah schon kriminell aus.
Martin und Urs fuhren ruhig durch die verregnete Nacht. Plötzlich
zeigte Martin uns an, dass wir halten sollen. Urs war hundemüde
und drohte wohl einzuschlafen.
Kein Problem, wozu gibt's Red Bull? Das Zeug wirkte zum Glück
richtig schnell und weiter ging es durch die Nacht.
Irgendwann gesellte sich ein Fahrer aus Rosenheim dazu und die 3
fuhren, fuhren, fuhren.
Wir sinnierten des öfteren wie man das überhaupt schaffen kann,
ohne das die Muskeln oder der Fahrer irgendwann nicht mehr wollen.
Aber offenbar geht das zu unserem Erstaunen. Unsere
vorsichtshalber einstudierten Durchhalteparolen brauchten wir für
Martin zu keinem Zeitpunkt.
Weiter geht es durch die Nacht |
Klaus nach ueber 500 km - er sieht blendend aus |
Mehr als 500 km sind geschafft |
Bei km 510 hatte Martin eine kleine Schwächephase, diese ging aber zum Glück schnell vorbei. Das Ziel lag ja auch greifbar nah wenn ich das als Aussenstehender so sagen darf. Spass beiseite, 90 km hügeliges Radtraining können schon im Normalfall recht eklig sein und nach 510 km bei diesem Sauwetter sicher noch mehr!
Kurzer Dialog unserer Radfahrer:
Urs: Zieht sich ganz schön
Martin: Was?
Urs: 600 kilometer
Gegen Morgen und bei inzwischen gutem Wetter rollten die 3 zum
letzten Kontrollpunkt.
Hier wirkte der Fahrer aus Rosenheim etwas schlapp, auch er bekam
ein Red Bull.
Hier konnte wir auch 3 Fahrer sehen, die die RAAM-Quali angingen.
Da ging kurzzeitig Hektik am Kontrollpunkt ab, aber das ist ja
durchaus verständlich. Wir rechneten, dass die 3 einen 30-er-Schnitt
bis ins Ziel brauchen . . Unvorstellbar nach über 500 km!!!
An diesem Kontrollpunkt bewunderten wir auch das Militärrad und den dazugehörigen Fahrer. Alle Achtung!
fast schon im Ziel! |
das Militaerrad |
das wohlverdiente Bier für Martin |
Bei Sonnenschein rollten die 3 in Bern ein und wir genehmigten
uns erst einmal eine Wurst und ein Bier. Ich durfte noch Glücksfee
spielen für die Reise nach Cesenatico.
Martin duschte dann noch und wir fuhren gemütlich heim.
Unterwegs wurde noch der bereits kaltgestellte Sekt genossen.
Martin war 25,5 Stunden unterwegs. Die reine Fahrzeit betrug
21,5 Stunden und sein Schnitt lag in etwa bei 28 km/h.
Sonntag hatte Martin etwas Muskelkater und gönnte sich einen Tag
daheim, nicht ohne mich vorher samt Fahrrad zu 4 Stunden Training
zu schicken. Das hat aber nach der stundenlangen Sitzerei im Auto
richtig gut getan (ausserdem war Sonenschein pur angesagt!).
Der Muskelkater wurde Montag noch schlimmer und Martin überlegte
schon, Treppen rückwärts herunterzusteigen.. Abends waren wir
schwimmen, da Martin in 2 Wochen eine Mitteldistanz Triathlon
macht.
Heute (Dienstag) geht es ihm schon wieder bestens und der
Muskelkater ist fast weg.
Wir Begleiter sind auch wieder fit und denken gerne an dieses Abenteuer, das wir demnächst (stilecht) mit Käsefondue feiern werden.
Es sieht ganz so aus, als ob wir nächstes Jahr wiederkommen und dann werden wir Klaus vorher das Fussball-Spielen verbieten.
ich habe mit unserem Radfahrer noch ein kleines
Interview gemacht:
1. Was trieb Dich dazu, einen Radmarathon über 600 km in Angriff
zu nehmen?
2. Wie hast Du dich bei strömendem Regen am Start gefühlt?
3. Hast Du mal ans Aufhören gedacht und wenn ja, warum?
4. wie fühlt man sich nach 600 km im Ziel?
5. Mit was ist sportlich bei Dir als nächstes zu rechnen?
End.
Ein Kompliment an den Veranstalter für diesen gelungen Radmarathon!
Annette Mahle