Seit ich im November letzten Jahres
zum Präsidenten des Verein Radmarathon gewählt wurde, hat sich
viel getan. Keinen Stein haben wir auf dem anderen gelassen und
uns die grösste Mühe gegeben, alles wieder so aufzubauen, wie
ihr es euch gewohnt wart.
Dem neuen OK wurden alle
Unterlagen zum Radmarathon zur Verfügung gestellt. Das komplette
Beziehungsnetz (Kontrollpunkte, Bewilligungsbehörden, Helfer,
Teilnehmerdaten) konnte übernommen werden. Die Strecke wurde zu
über 90% unverändert übernommen. Dabei waren alle Unterlagen (GPS-Tracks,
Roadbooks etc.)
Die neue Radmarathon-Homepage ist zwar optisch überarbeitet und
die Anmeldung modernisiert - dagegen hat die Informationsdichte
und Datenqualität abgenommen und die Konsistenz der
fremdsprachigen Seiten ist schlechter als in der alten Homepage.
Sven Sturzenegger und ich haben die
anstehenden Arbeiten manchmal mehrmals in Angriff genommen. Eine
Zeitlang schien nichts zu klappen. Heute, kurz vor der
Veranstaltung, glauben wir, einen Radmarathon geschaffen zu haben,
der auch in die Zukunft geführt werden kann.
Geschaffen
wurde der Radmarathon Ende 2000 - die ersten Statuten wurden im
Dezember 2000 unterzeichnet.
Aber ich gebe zu, Sven wird
beipflichten, wir haben es bezüglich Aufwand unterschätzt.
Das war eine häufige Frage. Viele
haben uns auch geschrieben, sie möchten so etwas auch in der
Schweiz durchführen. Das wäre doch absolut simpel und genial.
In Deutschland könne man ja an einem Brevet für 15 Euro inkl.
Frühstück teilnehmen.
Bemerkung: Der Radmarathon hat
kein Exklusivrecht für die Durchführung von Brevets in der
Schweiz. Jeder Veranstalter der sich eine Strecke homologieren
lässt und die Reglemente des ACP akzeptiert, kann Brevets (auch
für 15 Euro) durchführen.
Das stimmt! Das Brevet über 300km beim Schweizer Radmarathon kostet vergleichsweise viel mit CHF 100.00. Seien wir genau... CHF 78.00. Oder das 600km Brevet ist bei uns ab CHF 160.00 zu machen.
Was berechtigt uns also, einen solchen Betrag zu verlangen? Ist es die Verpflegung? die bekannt teure Schweizer Organisation? Oder will sich das OK einfach etwas nebenbei verdienen?
Nehmen zB. 80 RadfahrerInnen an einem Brevet teil, führt das zu zahlreichen Kosten. Als Veranstalter benötige ich eine Bewilligung der kantonalen Behörden. Einige Kantone verzichten darauf, Einige erteilen die Bewilligung gratis. Alles in Allem kosten alle diese Bewilligungen rund CHF 1500.00. Das sind bei 80 Teilnehmenden bereits CHF 18.70/FahrerIn. Nicht schlecht oder? Als Veranstalter benötige ich eine Versicherung für Schäden, die im Rahmen meiner Veranstaltung verursacht werden. Weitere CHF 800.00 sind über die von Swiss Cycling verbilligte Versicherung fällig. Also weitere CHF 10.00/TeilnehmerIn. Ich habe also noch gar nichts Greifbares und schon muss ich von 80 Teilnehmenden CHF 28.70 haben...
Nun ja, das ist immer noch
günstiger, wirst du sagen. Stimmt. Aber das ist noch nicht alles.
Die Behörden verpflichten dich (zurecht), dafür zu sorgen, dass
die Strassenverkehrsgesetze eingehalten werden. Zudem werden
Auflagen bezüglich Zeiten und Teilnehmendenzahlen gemacht (Beispiel:
Limitierung auf 1500 Teilnehmende für den Dreiländergiro im
Bereich des Kt. Graubünden - vermutlich das Ende dieser
Veranstaltung,
mehr vertragen die Strassen nun einmal nicht - es
kann ja nicht sein, dass eine internationale
Hauptverbindungssstrasse (Ofenpass) wegen einer kommerziellen
Veranstaltung einen Tag gesperrrt wird und den anderen Reisenden
stundenlange Umwege zugemutet werden.
Uri will das Alpenbrevet nicht
mehr am angestammten Wochenende).
Das Alpenbrevet hat seit seiner
Gründung bis zur Uebernahme durch das neue OK (welches auch
"keinen Stein auf dem anderen" gelassen hat) vor
wenigen Jahren immer am ersten Septemberwochenende stattgefunden
- back to the Roots - das alte OK hatte sich beim Septembertermin
wohl auch etwas gedacht.
Dass keine Gruppen über 3 oder
4 Personen zusammen fahren und den Verkehr behindern und zudem
nicht nebeneinander fahren.
Normalerweise wird die
Gruppengrösse auf 10 Personen limitiert. Schon das ist auf
unseren Strassen eine grosse Gruppe.
Wenn dann noch "Rennmässig" gefahren wird, wird's
gefährlich - die Behörden haben Recht!
Ansonsten sei die Bewilligung
für die kommenden Jahre fraglich. Sie verpflichten dich weiter,
dafür zu sorgen, dass die Radwege benutzt werden. Wie um alles
in der Welt soll ich das nun tun?
Mir fällt gerade nichts Anderes ein
als eine Truppe von Kommissären auf die Strecke zu schicken. Ich
miete mir also ca. 3 Autos und nötige meine Freunde, diese an
dem Tag zu fahren. Ich muss also ein Reglement erstellen und
dieses als Durchsetzungsauftrag an meine freiwilligen Helfer in
den Autos weitergeben. Ach ja: 600km sind kein Pappenstiel - auch
nicht mit dem Auto! Also muss ich zwingend noch für Ersatzfahrer
sorgen.
Die Kommissäre sind eine
Bedingung des RAAM für die Qualifikation... Noch nie wurden
Randonneure durch Kommissäre beaufsichtigt - dies wird wohl auch
2012 nicht erfolgen.
Die Autos kann ich übrigens für je CHF 250.00 mieten. Also muss ich erneut CHF 9.40 aufschlagen (ohne Treibstoff). Wir sind mittlerweile bei 38.10.
Meine fixen Kosten belaufen sich nun schon auf über CHF 3048.00. Melden sich aber nur 50 Teilnehmende, muss ich nachträglich den Fehlbetrag nachkassieren. Wir sind also dann bei CHF 61.00/TeilnehmerIn.
Und ich habe immer noch nichts für meine Teilnehmenden getan. Die möchten noch ein gemeinsames Frühstück: nochmal CHF 10.00.
Die Liste lässt sich leider fast beliebig fortsetzen.
Dass wir uns Gedanken machen, ist klar. Aber für 15 Euro bzw. rund CHF 18.00 werdet ihr den Schweizer Radmarathon nie fahren können solange Sven und ich dafür verantwortlich zeichnen. Eine solche Idee ist eine Totgeburt!
Den ganzen Absatz könnte man auch so zusammenfassen: "Der Radmarathon ist seit seiner Gründung eine Veranstaltung mit einem hohen Qualitätssstandard. Qualität ist teuer. Verglichen mit anderen Langstreckenevents und gemessen an den Leistungen sind die Startgelder am Radmarathon aeusserst günstig. Wer billige Brevets will, soll nach D oder F gehen und wird feststellen, dass neben dem billigen Startgeld Kosten für Reise, Verpflegung etc. anfallen und das ganze schlussendlich teuerer wird, als ein Start am Radmarathon."
Bemerkung: an der letzten Brevetwoche
haben rund 60 Teilnehmer teilgenommen - 3 Strecken - 180
Startgelder a CHF 18.00 = CHF 3240.00 Damit hätte sich bei einer
Organisation wie in D oder F die Bewilligungen und Versicherung
problemlos finanzieren lassen - das Frühstück hätte man
allerdings weglassen müssen.
Aber wären es dann auch 60 Teilnehmende geworden?
Ich jedenfalls werde nicht an einem
dieser Billig-Brevets teilnehmen. Ich möchte nämlich auch als
Fahrer nicht Schuld daran haben, dass der organisierende Kollege
dadurch ernsthafte Schwierigkeiten kriegen kann. Das ist schlicht
egoistisch!
Blödsinn! Siehe oben und unten.
Wir vom Radmarathon sind nicht
übervorsichtig. Die Verantwortung einfach an die Teilnehmenden
zu delegieren ist keine Lösung, die vor Gericht stand hält.
Sätze wie: "ich kann niemanden hindern, die Strecke
abzufahren", taugen nichts.
Tatsache ist, dass an allen
organisierten Veranstaltungen ungehindert (die Strassen sind für
alle offen) "Schwarzfahrer" unterwegs sind, welche von
der Planung und Streckenmarkierung profitieren aber nichts zahlen.
Die ganz frechen bedienen sich sogar an den Kontrollpunkten.
Genausowenig die Unterschrift
unter einen Zettel, auf dem steht: 'der Teilnehmer verpflichtet
sich, für alle Schäden....'. Das ist juristischer Blödsinn.
Falsch. Ein persönlicher
Haftungsverzicht zu Gunsten des Veranstalters, ob
unterschriftlich oder stillschweigend durch die Einzahlung des
Startgeldes ist für den Teilnehmer verbindlich.
Sowohl in der Schweiz wie auch
in Deutschland. Als Veranstalter bin ich nach wie vor für das,
was ich tue verantwortlich. Biete ich etwas an, muss ich auch
dafür geradestehen! Das zu negieren ist naiv, dumm oder
fahrlässig oder alles zusammen.
Verantwortlich (und versichert)
ist der Veranstalter für Schäden, welche er oder seine Helfer
selbst verursacht, und für Schäden, welche von Teilnehmern
verursacht werden, sofern diese nicht eruiert werden können.
Der Radmarathon hat sich deshalb dazu entschieden, die Brevets bedarfsgerecht anzubieten. Dazu gehört auch die fast symbiotische Beziehung zwischen RAAM-Qualifikanten und Randonneuren, die sonst eigentlich wenig gemeinsam haben. Dazu gehört aber auch, dass wir Checkpoints errichten und bei der Gelegenheit alles anbieten, was ein Randonneur genauso braucht wie ein RAAM-Qualifikant. Dass die Verpflegung aber nicht nicht wie das Manna vom Himmel fällt, leuchtet ein. Auch auf einem der Billig-Brevets müsst ihr genug Kalorien und Nährstoffe kriegen, damit ihr die Veranstaltung auch schadlos übersteht. Ihr nehmt es von zuhause mit oder kauft es unterwegs.
Wir bieten das im Preis mit an.
Zusammen mit einem Heer von 180 HelferInnen (also für zwei
FahrerInnen einen Helfer/eine Helferin).
180 sind wohl etwas
übertrieben - in den letzten Jahren waren es jeweils weniger als
100...
Das mag stimmen. Es geht darum, die
gewählte Strecke möglichst autark zu absolvieren1).
Diese Definition, verehrte Leserinnen und Leser, gehört aber in
eine Zeit um die Jahrhundertwende des letzten Jahrhunderts. Die
Verhältnisse haben sich in den vergangenen 100 Jahren aber
geändert.
Ja. Es gibt heute Teerstrassen,
Tankstellenshops, Handys und GPS... Wie vor 100 Jahren muss jeder
Teilnehmer jeden Meter der Strecke selbst fahren und schauen dass
er nicht in einen Hungerast fährt und sich nicht verirrt. Ob die
Verpflegung dabei aus dem Laden oder vom Checkpoint kommt ist
weitgehend bedeutungslos.
Es ist auf unseren Strassen um Grössenordnungen gefährlicher
geworden. Wir tragen dem Rechnung!
Falsch. Die Verkehrsdichte ist
grösser. Die Zahl der Verkehrstoten war in CH, D, F um 1970 vier
mal so hoch wie heute.
Selbst Paris-Brest-Paris, die Mutter aller Randonneurveranstaltungen, wird beschildert, hat Checkpoints und wird überwacht. Es bleibt noch zu erwähnen, dass diese Grossveranstaltung über ein Budget von schätzungsweise 1 bis 1.5 Mio CHF verfügt (und bestimmt müssen die auch sorgsam damit umgehen).
Jetzt kommt die ICH-Form... Erinnert
mich an die Rhetorik der Politiker, bevor sie ihre
Wahlversprechen brechen, und an die Doktrin der Generäle, bevor
sie für die vom sicheren Bunker aus verheizten Truppen eine
Tapferkeitsmedaille bekommen.
Ich möchte und werde nie in der
Situation sein, dass ich im Falle eines Unfalles nicht alles
getan habe, um den zu vermeiden. Dazu gehört, dass ich dir den
Weg auf den Radstreifen zeige und dich nicht einfach deinem
Schicksal überlasse. Dazu gehört, dass ich die Strecke
ausschildere. Dazu gehört aber auch, dass du sicher sein kannst,
dass ich alles getan habe, damit du unfallfrei und gesund ans
Ziel kommst.
Blödsinn. Jeder Teilnehmer ist
für sich selbst verantwortlich. Das Verhalten der Teilnehmer
kann nur marginal, dasjenige der übrigen Verkehrsteilnehmer
überhaupt nicht beeinflusst werden. Sicherheit gibt es nicht.
Dazu müsste man jedem einen persönlichen Schutzengel mitgeben.
Oder viel einfacher: auf die Durchführung verzichten.
Sven, Fritz und ich haben den
Kilchzimmersattel beispielsweise gestrichen, weil wir uns nicht
sicher waren, ob wirklich alle FahrerInnen unfallfrei hoch- und
wieder runterfahren.
Falsch: Hochfahren sollte,
abgesehen von bis zu 20% Steigung, nicht problematisch sein...
Einige Selbstunfälle im letzten Jahr haben gezeigt, dass nicht
alle intelligenzmässig, fahrtechnisch und vom Material her in
der Lage sind, eine steile schmale Bergstrasse hinunterzufahren.
Mit der Verschiebung des Startortes und der daraus resultierenden
späteren Durchfahrtszeit wären einige hirnlose Abfahrer auf
einen Strom von Ausflüglern getroffen, welche den Berg
hochfahren. Tote wären vorprogrammiert gewesen. Deshalb habe ICH
mich für eine Streckenänderung stark gemacht.
Wir ermuntern unsere Kommissäre, darauf zu achten, dass niemand
auf dem Rad einschläft (das ist mir schon passiert, einige von
euch kennen das auch). Unsere Leute an den Checkpoints achten
zudem darauf, dass ihr fahrtüchtig bleibt.
Solange alles gut geht, gibt es auch ohne Bewilligung kein Problem. "Wo kein Kläger, da kein Richter", sagt man. Um es aber mit den von meiner sechsjährigen Tochter begeistert aufgenommenen Worten von Wilhelm Busch2) zu sagen: 'wehe, wehe, wenn ich an das Ende sehe!', möchte ich auch nie in diese Situation geraten. Ich meinerseits möchte auch, dass auch eure Töchter und Söhne ohne Sorge an das Ende sehen...
So stehe ich ein für den Schweizer
Radmarathon mit seinem Konzept. Es ist für Randonneure genauso
wie für andere Langstreckenfahrer gemacht und hat sich bewährt.
Ein gewissens Restrisiko bleibt, wie auch unsere Vorgänger im OK
auf tragische Weise lernen mussten.
Das "Restrisiko" war
ein tödlicher Unfall. Das OK musste dabei nichts lernen, sondern
konnte feststellen, dass es alles richtig gemacht hatte.
Juristisch war die Organisation, das Reglement, die
Streckenmarkierung, das Briefing der Teilnehmer 100% wasserdicht.
Dies ist MIR als Verantworlichem für die Sicherheit und die
Strecke in mehreren Gesprächen mit der Polizei und dem
zuständigen Untersuchungsrichter bestätigt worden. Das OK des
Radmarathon wurde in keiner Weise belangt.
Durch die Durchführung der Veranstaltung ist ein Mensch zu Tode
gekommen. Daraus erwächst eine moralische Schuld, welche sich
weder mit Versicherungen noch mit schönen Worten aus der Welt
schaffen lässt.
Mit viel Liebe für den Langstreckensport
Adi und Sven